Ökumenisch in Langwasser

Mut zur Alltagsökumene

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Am 14. März 2023 kam Pfarrer Ekkehard Baumgartner aus Sigmaringen zu Besuch nach Langwasser und diskutierte vormittags mit dem Team der Pfarramtssekretärinnen aus den katholischen und evangelischen Büros und am Nachmittag mit den Hauptamtlichen beider Konfessionen über die Einrichtung einer zentralen Anlaufstelle. Er selbst hat im Jahr 2015 in Sigmaringen eine ökumenische Anlaufstelle “mittendrin” eingerichtet. Nun brachte er neben seinen eigenen Erfahrungen gleich zwei seiner Pfarramtssekretärinnen, Sonja Steinhart und Monika Müller, mit, die aus dem praktischen Alltag eines ökumenischen Pfarrbüros berichten konnten.

Das “mittendrin” – oder auch “Kirche am Markt” genannt – liegt zentral in der Fußgängerzone und ist im katholischen Gemeindehaus untergebracht. Im Erdgeschoss befindet sich ein hell gestalteter, großzügiger Empfangsbereich mit Sitzmöglichkeiten, Kaffeemaschine, kalten Getränken und Auslagen kirchlicher und städtischer Angebote.

Eine der Pfarramtssekretärinnen begrüßt den Eintretenden freundlich und widmet sich dann wieder ihren Aufgaben zu. Vielleicht möchte sich der Besucher oder die Besucherin gerne die Bilder einer der vielen Wechselausstellungen ansehen, oder er braucht noch etwas Zeit um ein Gespräch zu beginnen. Manche kommen mit kirchlichen Anliegen, manche aber auch mit ihren privaten Sorgen. Sie wissen, im “mittendrin” finden sie Kontakt zu Menschen, die ihnen helfen können. Die Pfarramtssekretärin kann warten. Sie hat Zeit, denn an diesem Tag ist sie ausschließlich für die Menschen und ihre Anliegen da. Dabei kann sie bei Bedarf jederzeit auf ein angeschlossenes Netzwerk von Caritas und anderen Institutionen zurückgreifen. Am nächsten Tag arbeitet sie im “Back-Office” und kann dort ungestört ihren weiteren Aufgaben nachgehen. Anfragen an das ökumenische Pfarrbüro kommen per Telefon oder Mail. Seitdem es das “mittendrin” gibt, kommen viele aber auch sehr gerne persönlich. Gut angenommen werden auch die vergleichsweise langen Öffnungszeiten (täglich außer Mittwoch von 9.30 bis 17.00 Uhr, Mittagspause 12.30 bis 14.00 Uhr, Samstag 9.30 Uhr bis 12.30 Uhr).

Die Menschen in und um Sigmaringen haben sich daran gewöhnt, dass sie beim Einkauf in der Stadt noch schnell im “mittendrin” vorbeischauen können. Sie wissen, am Montag und Freitag werden sie von einer evangelischen Sekretärin im Front-Office begrüßt, an den anderen Tagen von einer katholischen. Aber das macht nichts: Der Besucher ist immer richtig, denn das Team der Pfarramtssekretärinnen arbeitet eng zusammen.

Gemeinsamer Alltag führt zu einem anderen Verhältnis in der Ökumene
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Mit Begeisterung erzählt das Team aus Sigmaringen von der Arbeit im “mittendrin”. Man spürt, es ist ihnen ein Anliegen, die ökumenische Zusammenarbeit voranzubringen: “Können wir uns das in unserer heutigen Gesellschaft noch leisten, einzeln zu denken und zu verschwinden?” Von der Feiertagsökumene, wie sie in vielen Gemeinden praktiziert wird, zur Alltagsökumene sei es nur ein weiterer Schritt, folgerichtig und konsequent.

Auch berichtet Pfarrer Baumgartner von Bedenkenträgern in beiden Konfessionen, die sich anfangs mit seiner Idee sehr schwer getan hatten. Heute sind alle froh über das “mittendrin” direkt in der Fußgängerzone. Samstags zur Marktzeit treffen sich hier regelmäßig die Haupt- und Ehrenamtlichen zum lockeren Austausch. So entsteht im Laufe der Zeit ein vertrautes Miteinander und kleinere Fragen lassen sich oft schnell beantworten.

Bei aller Begeisterung für das, was man gemeinsam bewirken kann, haben die Sigmaringer aber auch erlebt, dass das tägliche Miteinander ein zwar begrüßenswerter, aber nicht immer einfacher Schritt für die Ökumene ist. Wie in jeder Beziehung stellt auch hier der Alltag die eigentliche Herausforderung für ein gutes Zusammenleben dar. Auch hier kommt es auf die Menschen an, die dahinter stehen. Ob und wie ihre Beziehung gelingt, haben allein sie in der Hand: wie sie miteinander umgehen, sich wertschätzen und aufeinander zugehenin jeder Situation: Spaltung überwinden.

Ein Modell für die Bevölkerung, nicht für die Kerngemeinde

In Sigmaringen hat sich die Einrichtung des offenen Hauses mit einer ökumenischen Anlaufstelle bewährt. Man beobachtet regen Publikumsverkehr. Menschen, egal ob mit oder ohne Konfession, kommen gerne und fühlen sich mit ihren Anliegen gut aufgehoben. Da die “Kirche am Markt” sich als zentraler Ansprechpartner in Sigmaringen und Umgebung etabliert hat, können die Pfarrbüros in den umliegenden Gemeinden nach und nach reduziert und somit Kosten eingespart werden. Und dennoch spricht Pfarrer Baumgartner von einer höheren Präsenz der Kirche, denn auf diese Weise sichtbar gemacht, kann sie auch im Vorbeigehen wahr genommen werden. Er ist davon überzeugt: “Man muss es wollen, lösungsorientiert denken und eine gegenseitige Großzügigkeit bringen, dann wird es gelingen.”

In den Diskussionen ist auch klar geworden, dass das Sigmaringer Konzept nicht in allen Einzelheiten auf Langwasser und seine Gemeinden übertragen werden kann. Trotzdem haben sich sowohl die Pfarramtssekretärinnen aus Langwasser, die am Vormittag ihre eigenen praktischen Fragen an die Zusammenarbeit gestellt haben, als auch das ökumenische Team der Hauptamtlichen am Nachmittag zum Weiterdenken ermutigt gefühlt.

Herzlichen Dank Pfarrer Ekkehard Baumgartner, Sonja Steinhart und Monika Müller für diesen ermunternden, weg-weisenden Besuch.

Ilona-Maria Kühn