Ökumenisch in Langwasser

Sulzbacher Simultankirchen

Geschichte und Entwicklung der Sulzbacher Simultankirchen bis in die Gegenwart

Am Samstag 14. Mai 2022 lud die Projektleitung Haupt- und Ehrenamtliche aus Langwasser zu einem Ausflug nach Sulzbach mit seinen fünf Simultankirchen ein. Zwölf Interessierte starteten um 13 Uhr zu einer Fahrt mit den Öffentlichen in die Oberpfalz und erlebten eine spannende Exkursion in die Geschichte und Entwicklung von Simultaneen.

Gleich am Sulzbacher Bahnhof wurde die Gruppe sehr herzlich begrüßt vom Stadt- und Heimatpfleger Dr. Markus Lommer und Pfr. Konrad Schornbaum, die gemeinsam den Nachmittag gestalteten. Schon im benachbarten Stadtpark bei Vorstellungsrunde wusste Markus Lommer die Langwasserer kurzweilig und mitreißend in das Thema einzuführen. Denn welcher Nürnberger hätte gedacht, dass Sulzbach schon vor 1200 Jahren im Zentrum der europäischen Politik stand und somit einst Auslöser für die Gründung Nürnbergs als Zwischenstation war? Zwei Schwestern aus dem Sulzbacher Grafenhaus spielten Anfang des 12. Jahrhunderts auf der großen Bühne der Weltpolitik mit: Gertrud als Stauferkönigin, Gemahlin Konrads III., ihre Schwester als Kaiserin Irene von Byzanz. In der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts wurde Sulzbach unter Kaiser Karl IV. zur Hauptstadt Neuböhmens und durch den Erzbergbau zum „Ruhrgebiet des Mittelalters“.

In der Friedhofskapelle St. Georg ging es um das viele Hin und Her zwischen Reformation, Gegenreformation und Wiedereinführung des Lutherischen Glaubens. Ab 1649 stand diese Kapelle außerhalb der Stadtmauern als einziges katholisches Gotteshaus den Soldaten und Bewohnern zur Verfügung bis auch bereits der Jahre später im Zuge des Pfalzgräflichen Erlasses als Simultaneum betrieben wurde. Allein in Sulzbach gab es fünf Simultankirchen, die ihre Entstehung der fortschrittlichen Entscheidung ihres Landesfürsten verdankten: Pfalzgraf Christian August wollte in seinem Fürstentum für dauerhaften Frieden zwischen den Konfessionen sorgen. Er glaubte, dass Gottes Liebe allen Menschen gilt und war der Religionskämpfe des Dreißigjährigen Krieges müde. So legte er 1652 fest, dass im Fürstentum Sulzbach ab sofort sämtliche Gotteshäuser, 51 an der Zahl, von beiden Konfessionen hälftig zu nutzen seien. Was er damit bewirkte, sollten wir an den nächsten Stationen erfahren.

In der Spitalkirche St. Elisabeth empfing Markus Lommer die Langwasserer schon aus der Ferne mit einem Klangteppich der neu renovierten Orgel. Hier hatte Pfr. Schornbaum eine Kurzandacht über den Weinstock und die Reben vorbereitet und mit Liedern, Psalm, einem abschließenden Vater Unser abgerundet. Schließlich staunten wir noch über den Sulzbacher Pragmatismus, mit dem sie 1802 beim Umzug aus der alten in die neue Spitalkirche das Dach der Kirche für die Orgelpfeifen punktuell erhöhten und den Altar im unteren Bereich kürzten. So passten die edlen Stücke auch in die kleinere Kapuzinerkirche St. Elisabeth.

In der Stadtkirche St. Marien hörten wir, was passieren kann, wenn zwei sich vertragen müssen, die gar nicht unbedingt zusammenkommen wollen. Da bauten die Evangelischen einen Altar mit Aufbau in die Mitte des Chorraumes, um im Hintergrund nicht den katholischen Hochaltar sehen zu müssen. Und wieder half der Sulzbacher Pragmatismus und baute eine die Rückwand des evangelischen Altars versenkbar ein, sodass der Blick auf Priester und Allerheiligstes für die Katholiken wieder frei war. Weniger vorbildlich verlief der Streit um das Taufbecken, das die Katholiken aus Angst vor Verunreinigung ihres geweihten Taufwassers mit einem Vorhängeschloss verriegelten. Da die Katholiken nicht mit sich reden ließen, brachten schließlich die Lutheraner ein eigenes Vorhängeschloss an und beide Konfessionen waren gezwungen, sich Alternativen zum Taufort zu suchen. Die Öffnung des Taufbeckens erfolgte erst über 100 Jahre später….

Unsere vorletzte Station, die Schlosskapelle St. Nikolaus, ist vom Ursprung her zwar das älteste Kirchengebäude Sulzbachs, wird jedoch nicht mehr als Gotteshaus genutzt. Im 19. Jahrhundert diente sie dem Verleger Johann Esaias von Seidel als Papierlager. In dieser Zeit wurde in Sulzbach übrigens die erste bekannte „Ökumenische Bibel“, herausgegeben 1810, mit einem befürwortenden Vorwort von Maximilian Joseph, König von Bayern. Heute finden in dem hellen freundlichen Raum aufgrund seiner guten Akustik regelmäßig Konzerte statt oder die Stadt nutzt ihn für verschiedenartige Eigenzwecke.

Auch die abschließende Einkehr beim Kreuzerwirt blieb dem Thema Simultankirchen treu. Im Obergeschoss der ehemaligen Spitalkirche direkt unter dem Deckengewölbe befindet sich ein Gastraum, darunter – von einer eingezogenen Zwischendecke getrennt – ein Ausschank mit einer großen Auswahl für warme und kalte Mahlzeiten im angeschlossenen Biergarten. Müde und erschöpft von drei intensiven Stunden quer durch die Sulzbacher Geschichte tauschten die Gäste ihre Eindrücke und Bilder aus.

Was sie von dieser Exkursion für Langwasser mitgenommen haben? „Dass wir, wenn wir Simultaneen einrichten, unbedingt vorher klären müssen, wie wir das mit dem Taufbecken handhaben! Vielleicht mit einer austauschbaren Schüssel zum Einlegen?“ Spaß beiseite: Allen war klar, es gäbe viel zu klären und zu regeln, bevor es zu einem Zusammenschluss kommen könnte. Aber wie schön, dass wir heute schon einmal eine Ahnung davon haben, was auf uns zukommen kann.

Ilona-Maria Kühn, 16.05.2022